Bis April 2017 ist Dr. Jeon vom koreanischen KRISS für fünf Monate zu Gast in der PTB. Das KRISS ist ein NMI, ein Nationales Metrologieinstitut. Dr. Jeon hat Physik und Betriebswirtschaftslehre studiert. Mittlerweile arbeitet er seit über 30 Jahren am KRISS. Er ist Teil des Policy Departments und beschäftigt sich mit den Aufgaben von NMI im Allgemeinen. Die Abkürzung KRISS steht für Korea Research Institute of Standards and Science.
Zu unserem Interview erscheint Dr. Jeon perfekt vorbereitet. Hinter seiner ruhigen Zurückhaltung zeigt sich sehr viel Herzlichkeit und übersprudelnde Begeisterung für sein Fachgebiet. »Dr. Jeon, was machen Sie eigentlich an der PTB?« – »Ich versuche, eine Frage zu beantworten: “Was sind die wünschenswerte Rolle und die Aktivitäten eines NMI in der nationalen Qualitätsinfrastruktur?” Ich studiere und vergleiche die Aufgaben der PTB in Deutschland mit den Aufgaben des KRISS in Korea. Aus meinen Ergebnissen entsteht ein allgemeines Modell, das darstellt, welche Rollen und Aktivitäten das NMI eines Landes erfüllen sollte.«
»Ist das KRISS denn sehr anders als die PTB?« »Im Gegensatz zu Deutschland gibt es in Korea keine Designated Institutes, so dass das KRISS alle Bereiche der Metrologie abdeckt. Das KRISS führt dafür keine Typgenehmigungen und Konformitätsbewertungsaktivitäten durch. Um das gesetzliche Messwesen kümmern sich andere Agenturen in Korea. Das Gelände des KRISS ist halb so groß wie das der PTB. Dort arbeiten um die 440 Mitarbeiter. Unser jährliches Budget beläuft sich auf 135,3 Millionen US-Dollar.« Zurückhaltender Stolz scheint durch, wenn Dr. Jeon vom Fußballteam am KRISS redet: »Die KRISS-Fußballmannschaft gilt in den meisten Spielen als starkes Team. Die Fußballmannschaft spielt häufig Freundschaftsspiele mit ausländischen NMI wie Chinas NIM, Vietnams VMI und dem mongolischen MASM.«
»Was gefällt Ihnen am meisten an der Arbeit hier?« »Durch meine Forschungen habe ich Kontakt zu Fachleuten auf den verschiedensten Gebieten. Es ist ein Vergnügen, verschiedene Experten in der PTB zu treffen und neue Felder kennen zu lernen: zum Beispiel in der Anerkennung, Kalibrierung und im gesetzlichen Messwesen. Ich kann hier in einem Forschungsumfeld arbeiten, in dem individuelle Autonomie garantiert ist. Tatsächlich war ich erstaunt, wie begeistert sich alle ihrer Arbeit in der PTB widmen. Es gibt Angestellte, die schon um sechs Uhr morgens hart arbeiten. Am KRISS forschen Menschen aus anderen Ländern wie Vietnam, der Mongolei und Ägypten. Wenn ich nach Korea zurückkehre, würde ich ihnen gerne etwas von der Hilfsbereitschaft zurückgeben, die ich hier erfahren habe.«
Dr. Jeon begegnen trotzdem einigen Hürden an der PTB, obwohl er jeden Donnerstag zum Deutschunterricht geht: »Leider sind die meisten Materialien hier auf Deutsch und es fällt mir schwer, sie zu lesen. Für meine Forschung ist es wichtig, die internen Prozesse der PTB genau zu verstehen. Meistens benutze ich dann Google Translate. Interessanterweise scheint die englische Übersetzung viel besser zu sein, als die koreanische.«
Ob die Arbeit in der PTB trotzdem so ist, wie er es erwartet hat? »Zwischen der Außendarstellung der PTB und dem, was die PTB wirklich macht, gibt es erstaunlich viele Unterschiede. Ich glaube, dass die PTB viel stärker in Kooperationen mit Akkreditierungsstellen, internationalen Aktivitäten und aufstrebenden Ländern aktiv ist, als man es im Internet erfährt.«
Einen Kulturschock hat Dr. Jeon bisher noch nicht – ein ordentliches Stück Braunschweiger Kultur hat er allerdings schon erlebt: Er ist aus Versehen auf den Braunschweiger Karneval geraten.