Der Weltmetrologietag am 20. Mai thematisiert den fundamentalen Wandel im Internationalen System der Einheiten.
Noch ist der Wert des kleinen Platinzylinders in einem Safe im Pariser Vorort Sèvres unermesslich – sagt dieses Objekt doch der Welt seit mehr als hundert Jahren, was ein Kilogramm ist. Doch schon sehr bald wird sich sein Wert auf den reinen Kurswert von Platin reduzieren. Denn die Welt des präzisen Messens steht vor einem fundamentalen Wandel. Die physikalischen Einheiten wie das Kilogramm für die Masse oder das Kelvin für die Temperatur werden auf die stabilste nur denkbare Basis gestellt, indem sie sich in Zukunft auf Naturkonstanten beziehen werden. Der diesjährige Weltmetrologietag (wie immer am 20. Mai) will diesen Wandel ins öffentliche Bewusstsein rücken. Genau ein Jahr später, am Weltmetrologietag des Jahres 2019 soll dann das neue Einheitensystem in Kraft treten. Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB), als nationales Metrologieinstitut Deutschlands die oberste Instanz bei allen Fragen rund ums Messen, ist mit Forschung und Kommunikation an diesem fundamentalen Wandel entscheidend beteiligt.
Die Welt ist sich in vielen Dingen nicht einig. Aber in einer Angelegenheit durchaus: Alle wollen mit denselben Maßen messen. Ein Wunsch, der in einer globalisierten Welt auch wirtschaftlich mehr als vernünftig ist. Und so sind es an die 100 Staaten (die insgesamt rund 98 % des weltweiten Wirtschaftsaufkommens repräsentieren), die mittlerweile den entsprechenden Staatenvertrag, die sogenannte Meterkonvention, unterzeichnet haben oder als assoziierte Mitglieder dabei sind. Dieser Vertrag hat eine sehr lange Tradition. Bereits im Jahr 1875 (eben am 20. Mai) unterzeichneten ihn die ersten 17 Staaten, darunter Deutschland (und übrigens auch das damalige Königreich Bayern).
Jeder Staat der Meterkonvention wurde sodann mit den Maßen der Gemeinschaft versorgt, also zunächst dem Ur-Meter und dem Ur-Kilogramm bzw. hochgenauen Kopien dieser „heiligen“ Objekte. Was zunächst wie ein Königsweg für die Harmonisierung des weltweiten Messens erschien, entpuppte sich allerdings im Laufe der Zeit als holpriger Pfad. Denn alle (großen) Dinge dieser Welt verändern sich, so auch die Maßverkörperungen wie der Kilogrammzylinder. Was allerdings nur deutlich wird, wenn man sehr genau hinschaut.
Wenn jemand das genaue Hinschauen und das genaue Messen beherrscht, dann sind es die Metrologen dieser Welt. Und so entschlossen sich die Staaten der Meterkonvention schon vor vielen Jahren, die Einheiten auf ein festeres Fundament zu stellen. Denn nicht nur das Kilogramm war und ist von dieser Instabilität betroffen, sondern auch die Einheiten für die Temperatur (das Kelvin) und für die Stromstärke (das Ampere). Das Kelvin hängt bisher von einer ganz genauen Isotopenzusammensetzung des verwendeten Wassers ab, und das Ampere bezieht sich auf eine sehr idealisierte Definition zweier unendlich langer Leiter. All diese Einheiten brauchen eine neue, verlässlichere Basis. Und tatsächlich können die gegenwärtigen Unzulänglichkeiten von Kilogramm, Kelvin und Co. behoben werden. In den letzten Jahren (teilweise auch Jahrzehnten) haben die metrologischen Laboratorien der Welt dafür ganze Arbeit geleistet. Die Messkünstler haben der Natur ganz tief in die Karten geschaut und die Werte bestimmter Naturkonstanten nach allen Regeln der Kunst gemessen. Mithilfe dieser Naturkonstanten, etwa dem Planck’schen Wirkungsquantum und der Boltzmann-Konstante, sollen die Einheiten nun stabil und damit zukunftssicher definiert werden. (Ein Erklärungsversuch, was diese Konstanten sind und warum sie zu den Lieblingen der Metrologen gehören, findet sich auf den Webseiten der PTB.
Die Messungen in den Laboratorien sind abgeschlossen, sieben Naturkonstanten haben ihre festen Werte bekommen. Damit können sich die Einheiten wie das Kilogramm, das Kelvin oder das Ampere auf eine stabile und universelle Zukunft freuen. Denn wenn sich Naturkonstanten nicht ändern (oder dies zumindest nicht alltagsrelevant tun), dann sind auch die Einheiten, die sich auf sie beziehen, unveränderlich. Und überdies sind die Einheiten in einem sehr allgemeinen Sinn „überall verständlich“, denn die Naturkonstanten gelten nicht nur auf unserer kleinen Erde, sondern tatsächlich überall und immer – im Universum und für alle Zeiten. Der Fahrplan hin zu einem fundamental umgebauten Einheitensystem (übrigens: alle Schulbücher müssen umgeschrieben werden), sieht so aus, dass sich die Staaten der Meterkonvention zu einer Generalkonferenz im November in Versailles treffen und aller Voraussicht nach den Umbau des Einheitensystems beschließen werden. Am Weltmetrologietag des Jahres 2019 soll dann das neue Einheitensystem in Kraft treten. Meter und Kilogramm, diese Kinder der französischen Revolution, werden dann den Anspruch von damals (»A tous les temps. A tous les peuples.«) auf ganz neue Weise einlösen.