Vor 150 Jahren wurde das metrische System in Deutschland eingeführt
Einig kann sich die Welt durchaus sein. Zumindest wenn es darum geht, den Dingen ihr Maß zu geben. Wie selbstverständlich messen wir heute Entfernungen in Metern, Stromstärken in Ampere oder Gewichte in Kilogramm. Die Geschichte dieser globalen Errungenschaft beginnt am Ende des 18. Jahrhunderts mit der Französischen Revolution, mit der so manches ins Rollen gebracht, einiges abgeschafft und vieles Neue in die Welt gesetzt wurde – und so auch der Meter und das Kilogramm. Mit diesen beiden Einheiten trat das metrische System seinen Siegeszug um die Welt an und ersetzte nach und nach den schier babylonischen Wirrwarr aus Ellen und Füßen, Pfunden und Quentchen. Es dauerte dann noch rund ein Dreivierteljahrhundert, bis sich diese Idee eines einheitlichen Maßsystems („À tous les temps, à tous les peuples.“ / „An alle Zeiten, an alle Völker.“) durchsetzen konnte. Drei Jahre bevor die ersten siebzehn Staaten die sogenannte Meterkonvention unterzeichneten und sich, international abgestimmt, zu diesem Maßsystem verpflichteten, wurde das metrische System bereits in Deutschland eingeführt: Am 1. Januar 1872 trat die „Maß- und Gewichtsordnung des Deutschen Reiches“ in Kraft und setzte Meter und Kilogramm an die Stelle der bis dahin gebräuchlichen, teilweise Jahrhunderte alten Maße und Gewichte.
Ein einheitliches, weltweit akzeptables Maßsystem einzuführen, war weniger eine wissenschaftliche, sondern vor allem eine politische Großtat. Während sich in den zuvor gebräuchlichen Einheitensystemen regionale Machtverhältnisse widerspiegelten (Stichwort: fürstliche Ellen), bestach das metrische System durch seine allgemeine Akzeptanzfähigkeit. Die Grundeinheit des Systems, nämlich der Meter, war nicht einem individuellen Herrscher entlehnt, sondern unserem Planeten Erde abgerungen. Zwei Astronomen meisterten während der französischen Revolutionsjahre die ihnen gestellte Mammutaufgabe, den Umfang der Erde zu vermessen. Nach jahrelangem Triangulieren des Teilstücks eines durch Paris führenden Meridians, nämlich der Strecke zwischen Barcelona und Dünkirchen, präsentierten sie ihr Ergebnis in der damals in Frankreich gebräuchlichen Längeneinheit „Pariser Linien“. Da zugleich die Breitengrade von Start- und Endpunkt der Strecke mit astronomischen Messungen gut bestimmt werden konnten, ließ sich das in jahrelanger, mühevoller Arbeit erzielte Teilergebnis auf den gesamten Erdumfang hochrechnen. Und aus diesem Umfang wurde eine bis dahin völlig neue Längeneinheit abgeleitet: Der Meter wurde definiert als der vierzigmillionste Teil des so gemessenen Umfangs der Erde.
Der Meter ist damit auch gleichzeitig der Namensgeber des metrischen Systems und des im Jahre 1875 geschlossenen Staatenvertrags, der Meterkonvention. Zu den ersten Signatarstaaten zählte dabei auch das Deutsche Reich – übrigens ebenso wie das monarchisch regierte Bayern. In der Folge der Meterkonvention gründeten die Staaten nach und nach nationale Metrologieinstitute, denen die nationale Umsetzung des metrischen Systems oblag. Die erste Institution dieser Art war die im Jahre 1887 in Berlin gegründete Physikalisch-Technische Reichsanstalt (PTR), die Vorgängerinstitution der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB), die heute das zweitgrößte nationale Metrologieinstitut weltweit und eine gewichtige Stimme in der internationalen Welt des Messens ist.
Der Meterkonvention gehören mittlerweile über 100 Staaten als Mitglieder bzw. als assoziierte Staaten an. Und in all diesen Staaten wird eine gemeinsame metrologische Sprache gesprochen, deren Grundeinheiten nach wie vor der Meter, das Kilogramm und die Sekunde sind. Weitere Basiseinheiten, namentlich das Ampere (für die Stromstärke), das Kelvin (für die Temperatur), die Candela (für die Lichtstärke) und das Mol (für die Stoffmenge), haben dieses metrische System im Laufe der letzten 60 Jahre zum „Internationalen Einheitensystem (SI)“ erweitert – ein Einheitensystem für die Welt.
Global durchgesetzt hat sich dieses Einheitensystem vollständig in der wissenschaftlichen Welt und nahezu überall in der Wirtschaft und in den Messungen unseres Alltags. Dass die angelsächsischen Staaten, allen voran die Vereinigten Staaten von Amerika, dieses SI noch nicht in nationales Recht umgesetzt haben, sondern weiterhin in den traditionellen „imperialen Einheiten“ von pounds, miles und Fahrenheit rechnen, gehört zu den Anekdoten dieser großen Vereinheitlichung. Aber es besteht Hoffnung, da von amerikanischen Metrologen zu hören ist: „We are approaching the SI system, inch by inch.“