2020 kam es zu einem Briefaustausch zwischen Dr. Marion Stoldt, Leiterin der Internationalen Zusammenarbeit der PTB, und Dr. Annalisa Primi, Leiterin der Abteilung Strukturpolitik und Innovation, OECD Development Centre, in dem eine engere Zusammenarbeit zwischen der PTB und der OECD Initiative for Political Dialogue on Global Value Chains, Production Transformation and Development vereinbart wurde.
Was ist die OECD und welche Bedeutung haben Entwicklungs- und Schwellenländer in der OECD?
Die Organisation for Economic Co-operation and Development, OECD, wurde 1961 gegründet. Sie versteht sich als Herzstück der internationalen Zusammenarbeit und stellt ein Diskussionsforum sowie eine Art Thinktank für die ökonomische und soziale Entwicklung der Welt unter den sich verändernden Rahmenbedingungen, wie der Klimakrise, der Energiekrise, der Digitalisierung, den Folgen der Covid-19-Pandemie und weiteren Veränderungen dar. Gegenwärtig hat die OECD 37 Mitglieder, darunter Chile, Mexiko und seit 2019 Kolumbien. Costa Rica ist der nächste Beitrittskandidat. OECD-Generalsekretär ist der ehemalige mexikanische Finanzminister Angel Gurría.
Obwohl die OECD oft als ein Zusammenschluss der Industrieländer verstanden wird, steht sie auch Entwicklungs- und Schwellenländern offen. Es wurde frühzeitig deutlich, dass die Vision der OECD – Better policies for better lives – ohne deren Einbeziehung nicht zu verwirklichen ist. So nahm das OECD Development Centre, OECD Dev, bereits im Oktober 1962 seine Arbeit auf. Gegenwärtig zählt das OECD Dev 27 OECD-, 29 Entwicklungs- und Schwellenländer sowie die Europäische Union zu seinen Mitgliedern.
Welche Aufgaben verfolgt die OECD Initiative for Political Dialogue on Global Value Chains, Production Transformation and Development?
Im Rahmen des OECD Dev ist seit 2013 die OECD Initiative for Political Dialogue on Global Value Chains, Production Transformation and Development aktiv, die auf Vorschlag Costa Ricas entstand. Sie ist eine Querschnitts-Arbeitsgruppe, weshalb sie auch mit anderen OECD-Direktoraten und -Komitees eng zusammenarbeitet. Gegenwärtig verfügt sie über 18 Mitglieder, siehe Tabelle. Darüber hinaus steht die gleichberechtigte Mitarbeit auch allen anderen Entwicklungs- und Schwellenländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas offen. Dem Leitungsgremium gehören der Vertreter Costa Ricas als Präsident sowie Annalisa Primi, OECD, Chile und Marokko an.
Mitgliedsstaaten der OECD Initiative for Political Dialogue
Chile
Kolumbien Costa Rica Dominikanische Republik Ägypten |
Äthiopien
Frankreich Japan Republik Korea Malaysia |
Mexiko
Marokko Panama Paraguay Peru |
Türkei
Großbritannien Uruguay |
Die OECD Initiative ist eine Plattform zum Austausch von Lernerfahrungen, auf der best practices und lessons learnt vorgestellt und diskutiert sowie entsprechende Empfehlungen formuliert werden. Sie verfolgt folgende Ziele:
- Unterstützung der Entwicklungs- und Schwellenländer bei der Entwicklung von innovativen politischen Lösungen zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung, der Reduzierung der Armut und der Verbesserung der Lebensqualität der Menschen.
- Moderation eines politischen Dialogs zwischen den Regierungen unter Einbeziehung öffentlicher, privater und philanthropischer Akteure.
Sie richtet sich in erster Linie an die Politik, d.h. an die Regierungen der Entwicklungs- und Schwellenländer, aber auch an den Privatsektor. Dem entspricht die Zusammensetzung der Teilnehmer*innen:
- hochrangige Regierungsvertreter: Abteilungsleiter, Sherpas genannt, der Präsidialkanzleien oder der Fachministerien; bei der Vorstellung wichtiger Analysen auch Minister und Vizeminister,
- Vertreter der internationalen Gebergemeinschaft und Durchführungsorganisationen,
- Vertreter des Privatsektors, wie Unternehmerverbände, Handelskammern, Banken,
- Experten, also Wissenschaftler und Praktiker
Die wichtigsten Arbeitsinstrumente sind:
- die Peer Learning Group, PLG, die Productive Transformation Policy Reviews (PTPR) auf Bitte der Länder erarbeitet
- Halbjährliche Meetings der OECD Initiative, auf denen Erfahrungen mit Globalen Wertschöpfungsketten, Digitalisierung, Industrie 4.0, Finanzierungsinstrumenten und anderen relevanten Problemen besprochen werden
- Entwicklung von Leitfäden und Studien zur Verallgemeinerung der Lernerfahrungen
Wie kam es zur Zusammenarbeit mit der OECD Initiative?
In den Jahren 2017/18 wurde auf Wunsch der kolumbianischen Regierung eine PTPR zu Kolumbien erarbeitet, das damals kurz vor der OECD-Aufnahme stand. Die nationale Planungsbehörde DNP, kurz für Departamento Nacional de Planeación, bei der kolumbianischen Präsidialkanzlei hatte seit Jahren Kontakte zur PTB und schätzte deren mehr als 40-jährige Expertise beim Aufbau einer nachfrageorientierten Qualitätsinfrastruktur im Lande. Das DNP bat Annalisa Primi, die PTB zur Beratung des PTPR-Entwurfs mit einem Beitrag zum Entwicklungsstand des kolumbianischen Qualitätssystems Subsistema Nacional de la Calidad, abgekürzt SICAL, und den zukünftigen Herausforderungen einzuladen. Annalisa Primi kannte die PTB bereits von ihrer vorherigen Arbeitsstelle, der UN-Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik, ECLAC, und stimmte dem sofort zu. Der PTB-Beitrag wurde als eine wertvolle Bereicherung empfunden, weil er sehr konkret und mit wichtigen Empfehlungen verbunden war. Wesentliche Teile wurden in die PTPR Colombia und ebenfalls in den Nationalen Entwicklungsplan Kolumbiens 2018-2022 aufgenommen.
Warum ist eine Zusammenarbeit mit der OECD Initiative für die Internationale Zusammenarbeit der PTB interessant?
Im Gegensatz zu den meisten OECD-Ländern, in denen die Qualitätsinfrastruktur seit mehr als 100 Jahren „natürlich“ gewachsen ist, ist das Bewusstsein über ihre Bedeutung in vielen Entwicklungs- und Schwellenländern weniger präsent und wird von der Politik oft unterschätzt. Die Verantwortlichen in den Ministerien wechseln wenigstens nach jeder Regierungsumbildung, die leitenden Posten in den staatlichen Institutionen der Qualitätsinfrastruktur werden oft unter politischen Gesichtspunkten und nicht auf Grund fachlicher Kompetenzen besetzt. Gleichzeitig besteht eine Kluft zwischen den Institutionen der Qualitätsinfrastruktur einerseits und der Industrie andererseits. Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen betrachten Ausgaben für die Qualitätssicherung als Kosten und nicht als Investition.
Die OECD-Initiative stellt für die Internationale Zusammenarbeit der PTB ein interessantes Forum dar, das die Vermittlung von Erfahrungen >evidence based< und deren Anwendung >better policies< entsprechend den nationalen Bedingungen fördern möchte, siehe Abbildung. Im Rahmen einer offenen und ungezwungenen Atmosphäre ist es möglich, die Frage der Entwicklung einer nachfrageorientierten Qualitätsinfrastruktur und ihrer Bedeutung für eine nachhaltige Entwicklung in die Debatte einzubringen und bei den Teilnehmern das Interesse dafür anhand überzeugender Argumente und Beispiele zu wecken. Dabei stehen weniger spezifische technische Fragen im Vordergrund, sondern mehr die Auswirkungen einer gut entwickelten Qualitätsinfrastruktur auf die ökonomische und soziale Entwicklung bzw. die negativen Folgen, wenn diese nur fragmentarisch ausgebildet ist.
Die Ziele der PTB für eine stabilere Zusammenarbeit mit der OECD-Initiative bestehen in:
- der Sensibilisierung der Teilnehmer der OECD Initiative, dass eine nachhaltige soziale und ökonomische Entwicklung auch eine hinreichende Qualitätsinfrastruktur zur Voraussetzung hat. Das erfordert auch die Bereitstellung finanzieller Mittel durch den Staatshaushalt.
- der Förderung des Erfahrungsaustauschs und der Netzwerkbildung zwischen Entwicklungs-, Schwellen- und Industrieländern im Bereich der Qualitätsinfrastruktur für die Umgestaltung der Wirtschaft, die soziale Entwicklung und die Ausgestaltung nationaler, regionaler und globaler Wertschöpfungsketten.
Die PTB erhofft sich, über die OECD Initiative ihre Partnerorganisationen in den Entwicklungs- und Schwellenländern dabei zu unterstützen, dauerhafte und fruchtbare Beziehungen zu den politischen Entscheidungsträgern herzustellen, die über den weiteren Ausbau von Metrologie, Normung, Akkreditierung und Konformitätsbewertung entscheiden.
Was waren die bisherigen Aktivitäten und was sind die Pläne für die Zukunft?
Die PTB hat sich bisher an folgenden Aktivitäten beteiligt:
- Teilnahme an den Sitzungen der PLG zu Kolumbien, der Dominikanischen Republik und Ägypten mit Präsentationen zum Stand der Qualitätsinfrastruktur und ihren aktuellen Herausforderungen. Die Beiträge sind in die PTPR der drei Länder eingegangen.
- Teilnahme am 11. und 13. Plenartreffen der Initiative 2018 in Paris und 2019 in Kairo mit vorbereiteten und spontanen Kurzbeiträgen.
- Auf Anregung der OECD Initiative Erarbeitung eines Blogposts zu den Herausforderungen der Covid–19-Krise an die Qualitätsinfrastruktur in Schwellen- und Entwicklungsländern.
Die Teilnahme an den verschiedenen Veranstaltungen fand ein positives Echo und konnte zu ersten Kontaktaufnahmen mit Vertretern der Regierungen und des Privatsektors in Chile, der Dominikanischen Republik, Kolumbien, Paraguay, Libanon und Ägypten sowie zur ECLAC und der Europäischen Entwicklungsbank, EBRD, genutzt werden.
Für die Zukunft ist vorgesehen:
- Unterstützung der PLG bei der Erarbeitung der PTPR mit Beiträgen zur Qualitätsinfrastruktur und deren weiteren Ausbau. Das von Weltbank und PTB entwickelte Rapid Diagnostic Toolkit könnte dazu eingesetzt werden.
- Die OECD Initiative hat Interesse an der Entwicklung von Prinzipien für ein effektives Qualitätsinfrastruktur-Management geäußert.
- Erarbeitung von Studien über Themen wie die Anforderungen von Digitalisierung, Industrie 4.0, Lebensmittelsicherheit oder den Folgen von Covid-19 an die Qualitätsinfrastruktur.
Die beiden PTPR über Kolumbien und die Dominikanische Republik mit expliziter Darstellung der Qualitätsinfrastruktur.
Fotos und Grafiken © OECD Initiative for Policy Dialogue on Global Value Chains, Production Transformation and Development