Die vielen Herausforderungen durch die Covid-19-Pandemie haben nicht nur zu kurzfristigen Veränderungen geführt. Sie könnten ebenso langfristige Innovationen hervorbringen. Das zeigt beispielsweise ein Blick in die westlichen Balkanländer. Im März 2021 veranstaltete die PTB einen virtuellen Erfahrungsaustausch über Innovationen in Institutionen und Dienstleistungen der Qualitätsinfrastruktur, kurz QI, in den Ländern des westlichen Balkans. Mehr als 30 Teilnehmende aus Metrologieinstituten, Normungsgremien und Akkreditierungsstellen waren dabei. Präsentiert und diskutiert wurden Innovationsaktivitäten mit dem Ziel, diese nachhaltig zu fördern.
Der virtuelle Erfahrungsaustausch hat gezeigt, dass fast alle QI-Einrichtungen im Westbalkan die gleichen Herausforderungen hatten. Der plötzliche Einbruch der Pandemie traf sie unvorbereitet, sodass viele Standardprozesse nicht wie gewohnt durchgeführt werden konnten. Nach und wurde zudem klar, dass die Pandemie länger dauert als anfangs angenommen. Aus dem anfänglichen Abwarten musste ein Handeln werden. Durch die Innovationen, die sich daraus ergeben haben, war es den QI-Einrichtungen möglich, während der Pandemie handlungsfähig zu bleiben. Während des virtuellen Austausches richtete sich der Blick nicht auf gänzlich neue Dienstleistungen, sondern vielmehr auf die Entwicklung neuer Wege zur Durchführung bereits bestehender Arbeitsprozesse.
Hands-on Laboratory Training und Kampagnen zur Erhöhung der Sichtbarkeit
Ein Beispiel ist die Umstellung von Laborschulungen vor Ort auf Remote-Schulungen. Mitarbeitende des Instituts für Metrologie von Bosnien und Herzegowina nahmen an einem Remote Hands-on Laboratory Training teil. Die Inhalte wurden per Videostreaming aus dem Labor und per LabView vermittelt. LabView ist eine Anwendung, die die Automatisierung von Messungen ermöglicht. Die positiven Reaktionen der Teilnehmenden zeigen: Remote Hands-on Laboratory Trainings sind nicht nur eine Notlösung, sondern können auch nach der Pandemie Anwendung finden. Aufgrund der eingängigen Vorbereitung empfanden viele die Fernschulung als interaktiver und effizienter. Darüber hinaus wurde der hohe Grad an eigenverantwortlichem Arbeiten bei der Umsetzung der einzelnen Schritte als positiv wahrgenommen.
Wie man durch Kampagnen und Wettbewerbe seinen Bekanntheitsgrad erheblich steigern kann, zeigte das Montenegrische Amt für Metrologie. Die Unterstützung der Kampagne Stay at home brachte beispielsweise einen Wettbewerb über Kochmessungen für Kleinkinder hervor sowie eine wissenschaftliche Kampagne für Gymnasiast*innen. Die Aktivitäten erhielten große mediale Aufmerksamkeit und steigerten die Sichtbarkeit des Eichamtes. Für die Zukunft sind weitere Aktivitäten geplant wie die Entwicklung digitaler Kalibrierungszertifikate oder die Einrichtung einer E-Learning-Plattform.
Remote Peer Evaluation
Evaluationen sind für Akkreditierungsstellen ein entscheidender Meilenstein im Hinblick auf die internationale Anerkennung ihrer Dienste. Die Herausforderung, die sich während der Covid-19-Pandemie ergeben hat, ist die Begutachtung aus der Ferne. Im Februar 2021 wurde die albanische Generaldirektion für Akkreditierung, kurz DPA, bewertet. Durchgeführt wurde die Evaluation von der Europäischen Akkreditierungsstelle. Die größte Herausforderung beim Prozess der Remote Peer Evaluation war die Verfügbarkeit einer stabilen und schnellen Internetverbindung. Eine andere öffentliche Einrichtung unterstützte die DPA dabei und stellte zudem eine Videokonferenzplattform bereit. Die DPA stellte für den Besuch vor Ort Tablets und Smartphones zur Verfügung, beauftragte ein externes Unternehmen mit dem Betrieb der Kameras und sorgte durch die Bereitstellung von Dolmetscher*innen für eine reibungslose Kommunikation. Die Durchführung dieser Innovation war sehr erfolgreich, wozu vor allem zwei Faktoren entscheidend beigetragen haben. Die Vorbereitungen für die Durchführung der Remote Evaluation hatten bereits vor der Pandemie begonnen. Zudem verfügte die DPA bereits über ein Online-System für Kundenbeziehungen, mit dem alle Akkreditierungsschritte durchgeführt werden konnten.
Innovation in Normungsinstituten als Hilfe in der Covid-19-Pandemie
Das Normungsinstitut der Republik Nordmazedonien, kurz ISRSM, stellte vorübergehend 18 Normen für Schutz- und Medizinprodukte sowie Anästhesie- und Beatmungsgeräte zur Verfügung. 30 weitere ISO-Normen wurden auf der ISO-Website zum kostenlosen Download bereitgestellt. Zwar wurden durch die kostenlose Bereitstellung einige Einnahmen eingebüßt, allerdings konnte das Institut seinen Bekanntheitsgrad in der Geschäftswelt steigern, beispielsweise durch Werbung für die kostenfreien Normen auf der Website der nordmazedonischen Handelskammer.
Eine weitere Innovation war die überaus kurzfristige Annahme eines Dokuments des Europäischen Kommitees für Normung, kurz CEN. Es handelt sich dabei um das CEN Workshop Agreement 17553: Community face coverings – Guide to minimum requirements, methods of testing and use. Als Ergebnis der Entwicklung eines gesamteuropäischen Verfahrens konnte es innerhalb von nur drei Monaten verabschiedet werden.
Gemeinsame Herausforderungen für Innovation
Was durch die Situation in der Pandemie angestoßen wurde, soll weiterhin Anwendung finden. Innovative Aktivitäten sollen stark gefördert werden. Neben den hier angeführten Beispielen von Remote Dienstleistungen und Kampagnen zur Erhöhung der Sichtbarkeit wurden als weitere innovative Entwicklungen die Umstellung auf die Bereitstellung von E-Schulungen und die Digitalisierung von Dienstleistungen, Online-Sitzungen von technischen Ausschüssen sowie die generelle Online-Kommunikation mit Interessengruppen genannt.
Der ausführliche Bericht zum virtuellen Erfahrungsaustausch kann unter folgendem Link eingesehen werden:
https://www.covid19.ptb.de/economy/innovation
Foto: Istock